Tante Frieda

Das alte Haus von Nr. 7 hat vieles schon erlebt … könnte man in Anlehnung an einen alten Schlager der 60er Jahre sagen. Wir haben dies als Anregung gesehen und haben die Geschichte des Hauses mit Geschichten wieder aufleben lassen. Die letzte Bewohnerin des Hauses, Frida Heller, geb. Grübele - im Dorf wurde sie nur Tante Frieda genannt - hat zwei wertvolle Schätze hinterlassen. Einmal hat sie in intensiven Gesprächen mit unserem Ehrenmitglied Margarete Ebinger viel über den Alltag in einem schwäbischen Dorf des vergangenen Jahrhunderts erzählt. Die Gespräche sind in der Reihe ‚Geschichte und Geschichten aus unserer Heimat Weissacher Tal’ abgedruckt. Restexemplare der Schriftenreihe kann man übrigens in unserem Museumsshop kaufen. Die Alltagsgeschichten sind zum Teil in dem Actionbound „Unterweissach im Gleichschritt“ verarbeitet und auch Grundlage eines zeitlosen Geburtstagskalenders mit Geschichten, Bildern und Rezepten aus dem dörflichen Alltag der 20er und 30er Jahre des letzten Jahrhunderts.

Brüdener Straße in Unterweissach vor dem II. Weltkrieg
Brüdener Straße in Unterweissach vor dem II. Weltkrieg

Tante Frieda hat aber auch den Briefverkehr zwischen ihrem Vater und ihrer Familie während des I. Weltkrieges aufbewahrt. Ihr Vater Wilhelm Grübele - er wohnte bis in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts im Haus Nr.7 - war Soldat an der Westfront und hat in seinen Kriegsbriefen das ganze Elend und die Unmenschlichkeit des Stellungskrieges geschildert. Es ist ein einmaliges Zeitdokument. Die meiste Zeit kämpfte er im „Priesterwald“ nahe Marly (Marleien), der heutigen Partnergemeinde von Weissach im Tal. Um diese Kriegsbriefe herum haben Wilhelms Urenkelin Manuela Stricker, die schwäbische Kultband "Wendrsonn", der ehemalige Lehrer Jürgen Hestler und die Darstellergruppe „Württemberger 14 – 18“ eine szenische Lesung kreiert. Sie trägt den geheimnisvollen Titel „Warum Frida eigentlich Frieda hieß“. Das ausschließlich mit Laiendarstellern besetzte Friedensstück ist inzwischen achtmal aufgeführt worden, dreimal im Oberling des Museums, zweimal im Bandhaustheater in Backnang, einmal in Erlaheim bei Balingen, einmal im Theaterhaus Stuttgart


Atmosphärische Premiere

Das Grauen des Krieges wird greifbar

Das Plakat zur Veranstaltung machte viele im Vorfeld schon neugierig
Das Plakat zur Veranstaltung machte viele im Vorfeld schon neugierig

Von Claudia Ackermann (Backnanger Kreiszeitung)

In die Zeit vor 100 Jahren entführt die ausverkaufte Veranstaltung die Besucher im geschichtsträchtigen Heimatmuseum in Unterweissach. Die alte, originale Rathausglocke wird angeschlagen. Jürgen Hestler, Vorsitzender des Heimatvereins, eröffnet den Abend. Was das Haus erlebt hat, erlebbar zu machen, haben sich die Veranstalter vorgenommen.

Es geht auch um die Frage: "Warum Tante Frida eigentlich Frieda hieß." Sie war die letzte Bewohnerin des Bauernhauses in der Brüdener Straße 7. Im schwarzen Originalkleid mit Hut aus dem Fundus des Museums schlüpft Manuela Stricker in die Rolle ihrer Großmutter: "Mein Name ist Frida Grübele. Ich kam am 1. Januar 1919 auf die Welt … Das hier ist mein Elternhaus."

In der Veranstaltung wechseln sich Erzählungen und Lesungen aus Briefen ab, die sich Fridas Eltern Pauline und Wilhelm Grübele geschrieben haben, als er sich an der Front in Frankreich befand. Fridas Vater wollte, dass die Briefe, Fotografien und Postkarten als Mahnung für seine Kinder und Enkel aufbewahrt werden, und dass diese schlimme Zeit niemals in Vergessenheit gerät, erfahren die Besucher.

Soldatenlieder mit dem Frontmann der Schwabenband Wendrsonn, Markus Stricker und Gitarrist Micha Schad sind eingestreut, wie „Muss i denn zum Städtele hinaus“, oder das Kinderlied, das ebenfalls seinen Ursprung im ersten Weltkrieg hat: „Maikäfer flieg, dr Vaddr isch em Krieg.“ Markus Stricker hat auch die Texte aus Briefen und Erzählungen mit seiner Frau Manuela Stricker zusammengestellt.

„Warum Tante Frida eigentlich Frieda hieß“

Eine szenische Lesung zum (Kriegs-)Alltag vor 100 Jahren

Video ansehen

Als Oberlehrer am originalen Lehrerpult aus jener Zeit tritt Jürgen Hestler auf, der zunächst seine Schüler ermutigt, in den Krieg zu ziehen. Zwischendurch liest er Meldungen aus dem Murrtalboten vor, dem Vorläufer der Backnanger Kreiszeitung, wie etwa vom 21. Januar 1916: "Kriegerverein Unterweissach lädt ein zur Vollversammlung anläßlich Kaisers Geburtstag ins Lamm." Auch Anzeigen sind dabei: "Läuse beseitigt innerhalb weniger Minuten Haarelement. Sendet Haarelement ins Feld. Drogerie Dorn Backnang." Die Darstellungsgruppe süddeutsches Militär (DSM) tritt in originalgetreu nachgeschneiderten Uniformen auf und erläutert die Kampfausrüstung der Infanterie, die sich im Laufe der Kriegsjahre verändert hat. Manuel Wöller ergänzt die Lesung durch historische Informationen, etwa über die Hungersnot im Steckrübenwinter 1916/17 oder die Versorgung der Soldaten mit Lebensmitteln: "Selbst das Brot wurde mit Holzspänen gestreckt."

In der Kulisse des alten Fachwerkhauses ist die Geschichte der ehemaligen Bewohner für die knapp 100 Besucher noch authentischer nachvollziehbar. Sie erfahren in der Lesung, dass Wilhelm Grübele im Priesterwald bei Marleien, das die Franzosen Marly nannten, im Schützengraben lag. Heute ist Marly die Partnerstadt der Gemeinde Weissach im Tal. Die Grausamkeit des Krieges wird in den Briefen deutlich: „Es ist ein fürchterlicher Totengeruch.“ Fälschlicherweise ging in Lippoldsweiler, Ober- und Unterbrüden damals das Gerücht um, dass Wilhelm Grübele tot sei, worauf die ganze Familie um den Tisch saß und bitterlich weinte. Umso mehr berührt es, sich in den Räumen zu befinden, in denen sich dieses Leid abspielte.

Die Darstellungsgruppe süddeutsches Militär (DSM) tritt in originalgetreu nachgeschneiderten Uniformen auf
Die Darstellungsgruppe süddeutsches Militär (DSM) tritt in originalgetreu nachgeschneiderten Uniformen auf
Die Darsteller bedankten sich bei den Zuschauern für Ihr Interesse
Die Darsteller bedankten sich bei den Zuschauern für Ihr Interesse

Am Ende wird noch aufgeklärt, warum Tante Frida eigentlich Frieda hieß. Der Name war ihr nämlich in Anlehnung an das Wort Frieden gegeben worden, aber der Oberlehrer bestand auf die Schreibweise Frida. Zwei Monate nach dem Ende des ersten Weltkrieges war sie geboren. Bis 1983 hat sie in dem Haus gelebt. Besucher erinnern sich noch an sie. Wilhelm Grübele ist wieder aus dem Krieg heimgekehrt. Mit dem Lied: "Da ben i dohoim" enden die bewegenden Einblicke in die Heimatgeschichte.